Magnar und Teletessar

Vom Magnar zum Tele-Tessar

Der Startpunkt des modernen Teleobjektivs

Die Verwendung des Begriffs Teleobjektiv erfolgt in der Literatur nicht einheitlich. Unter einem Teleobjektiv versteht man allgemein eine Linsenkombination, die bei einer langen Äquivalentbrennweite eine vergleichsweise kurze Schnittweite aufzuweisen hat. Das führt dazu, daß gewisse Autoren beispielsweise auch Sonnartypen unter die Teleobjektive einordnen, weil sie ebenfalls eine vergleichsweise kurze Schnittweite aufbieten. Auch Hubert Ulbrich tut dies in seiner Patentschrift zum Orestor 2,8/135 [Nr. DD33.141], obgleich er angibt, der Systemteil hinter der Blende habe sammelnde Wirkung. Das steht aber gewissermaßen im Widerspruch zu einer älteren Definition:


"Zweigliedrige optische Systeme, bestehend aus einem sammelnden Vorderglied und einem in relativ großem Abstand angeordneten Hinterglied von zerstreuender Wirkung, nennt man Fern- oder Teleobjektive." [Pritschow, Karl: Die photographische Kamera und ihr Zubehör; in: Hay, Alfred (Hrsg.): Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie, Band II, Wien, 1931, S. 304.].

Prinzip des Teleobjektivs

Oben ist einmal in schematischer Form gezeigt, was passiert, wenn einer sammelnd wirkenden Komponente (blau) eine zerstreuende Komponente (rot) nachgesetzt wird, um zu einem Teleobjektiv zu gelangen. Der positive Achromat besitzt die Hauptebene H₁ und vereinigt die einfallenden Lichtbüschel im Abstand der Brennweite f'₁ im Brennpunkt F'₁. In der Kombination mit dem negativen Achromat wird der Brennpunkt jedoch an den Ort F'₂ verlängert, wobei sichtlich der bildseitige Bildwinkel kleiner wird. Verlängert man diesen gebrochenen Strahl auf die Höhe der dingseitig einfallenden parallelen Strahlen (rot gestrichelt), dann findet sich dort die neue Hauptebene der Gesamtkombination H₂. Der Abstand von dieser neuen Hauptebene H₂ zum neuen Brennpunkt der Gesamtkombination F'₂ ergibt die stark verlängerte Brennweite f'₂. Weil diese neue Hauptebene H₂ weit vor dem optischen System zu liegen kommt, kann Letzteres trotz der stark verlängerten Brennweite nah an der Bildebene verbleiben, woraus sich die kompakte Bauweise dieser echten Teleobjektive ergibt. Andererseits leuchtet ein, daß die Kombination derart gegensätzlich brechender Objektivhälften den Konstrukteuren das Auskorrigieren der Bildfehler lange Zeit sehr erschwert hat.

Teleobjektive im engeren Sinne zeichnen sich also dadurch aus, daß der bildseitige Systemteil zerstreuende Wirkung hat. Dieses zerstreuende Glied vergrößert das Bild bevor es auf die Mattscheibe bzw. die lichtempfindliche Schicht fällt. Ursprünglich wurde diese Wirkung dadurch erzielt, daß die Optikfirmen sogenannte "Tele-Negative" anboten, die hinter dem vorhandenen Aufnahmeobjektiv (beispielsweise einem Tessar 6,3/150 mm für das Format 9x12 cm) in den Strahlengang eingebracht wurden. Diese zerstreuend wirkende Linsenkombination des Tele-Negativs hatte nun zur Folge, daß sich die wirksame Brennweite des Gesamtobjektives um einen bestimmten Faktor verlängerte, ohne daß der Auszug des Balgens aber im selben Maße mitverlängert werden mußte. Das bewerkstelligte die schnittweitenverkürzende Wirkung des Tele-Negativs. Wir verwenden dieses Prinzip heute noch beim sogenannten Telekonverter, der ebenfalls zerstreuende Wirkung hat.

Tele-Kombination

Ähnlich wie beim Telekonverter hat dieses Prinzip aber zwei entscheidende Nachteile: Erstens wird die Qualität des Grundobjektives erheblich beeinträchtigt, wenn beliebige Tele-Negative mit beliebigen Grundobjektiven kombiniert werden. Und zweitens bleibt je nach Verlängerungsfaktor kaum noch Lichtstärke übrig. In der Zeit, bevor Linsen vergütet werden konnten, kamen obendrein noch störende, wilde Spiegelbilder hinzu – hervorgerufen durch die zusätzlichen Glas-Luft-Grenzflächen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gingen die Objektivbauanstalten daher dazu über, komplett in sich korrigierte Teleobjektive herauszubringen. Als erste Konstruktion dieser Art wird allgemein Karl Martins Bis-Telar aus dem Jahre 1905 angesehen. Für das Nennformat 9x12 cm betrug beim Bis-Telar die Brennweite 270 mm und erreichte damit fast das Doppelte der Formatdiagonale, ohne daß der Auszug der Kamera verlängert werden mußte.

1. Das Magnar 10/45 cm

Ein weiterer Vorreiter auf diesem Felde war Zeiss mit dem Magnar 1:10/45 cm. Es war ebenfalls für das 9x12-Format vorgesehen, benötigte bei einer Brennweite, die drei mal so groß wie die Formatdiagonale war, aber nur einen Auszug von 15 cm – also wiederum ziemlich genau denjenigen Wert des 9x12-Normalobjektives [Vgl. Pritschow, Karl: Die photographische Kamera und ihr Zubehör; in: Hay, Alfred (Hrsg.): Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie, Band II, Wien, 1931, S. 305.]. Diese Zusammenhänge sind unten noch einmal zeichnerisch dargestellt [aus: Zeiss (Hrsg.): Photographische Objektive, Jena, 1926, S. 13.]. Mit dieser starken Verkürzung der Schnittweite nahm das Magnar damals eine Sonderstellung im Markt ein.

Magnar und Tele-Tessar

Das Zeiss Magnar stammt nun aus einer Phase zwischen dem Erscheinen des Tessars und dem Ausscheiden Paul Rudolphs aus dem Zeisswerk. Für die Abteilung Photo muß dies eine ziemlich seltsame Zeit gewesen sein. Sie war einerseits geprägt durch den großen kommerziellen Erfolg des Tessars, der zudem durch dessen fünfzehnjährigen Patentschutz vollkommen ungefährdet war. Das linderte den bislang heftigen Druck auf die Entwicklungsabteilung, sich ständig durch neue Konstruktionen von den nachrückenden Mitbewerbern absetzten zu müssen. Neue Bauformen des Tessars und die Überarbeitung bestehender Versionen konnten demnach in aller Ruhe durchgerechnet werden. Merté hat später darauf verwiesen, daß dies auch der Grund sei, weshalb aus jener Zeitspanne kaum Patentanmeldungen vorliegen.

Zeiss Magnar 10/45 cm

Das Teleobjektiv Zeiss Magnar 1:10/45 cm für das Bildformat 9x12 cm. Bild: Stefan Baumgartner

Das zweite Charakteristikum dieser Ära ist jedoch geprägt durch das mittlerweile tiefe Zerwürfnis zwischen dem Leiter der Abteilung Photo und seinem Arbeitgeber. Und ein Symptom dafür liegt auch in der Entwicklungsgeschichte des Magnars verborgen. Während der Beginn der Entwicklung noch durch Paul Rudolph und Ernst Wandersleb zugleich initiiert wurde, ist das fertig entwickelte Magnar eine Leistung Wanderslebs [Vgl. Merté, Willy: Bauarten der photographischen Objektive, in: Hay, Alfred (Hrsg.): Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie, Band I, Das photographische Objektiv, Wien, 1932, S. 339.].

AT43771 Magnar Vorstufe

Dieser Ausgangspunkt für das Magnar liegt bereits zu Jahresbeginn 1906 und damit kaum ein Jahr nachdem die Emil Busch AG das Bis-Telar angemeldet hatte. Karl Martin war es zwar gelungen, sein Teleobjektiv ungewöhnlich gut sphärisch und astigmatisch zu korrigieren, doch blieb ein hohes Maß an Verzeichnung mit Werten über 10 Prozent. Genau darin sahen Rudolph und Wandersleb den Angriffspunkt für eine Verbesserung. Wie bei Martins Bis-Telar wurde jedoch auch bei dieser Zeiss-Entwicklung kein Patentschutz im Deutschen Reiche erzielt. Aus der österreichischen Patentschrift Nr. 43.771 vom 14. Februar 1906 kann man jedoch erfahren, daß jenes starke Abmildern der Verzeichnung dadurch erzielt wurde, indem in der vorderen Sammellinse sphärische Restfehler belassen wurden, die das negative Glied ausgleichen mußte, wobei man bei letzterem eine für die Milderung der Verzeichnung günstige Formgebung erreichen konnte.

US873898 Magnar Vorstufe 1906
US943105 Magnar Wandersleb

Auch in den USA wurde am 2. März 1906 dieses Patent angemeldet [US873.898]. US-Patentschriften aus jener Zeit sind besonders wertvoll, weil sie uns die Namen der Erfinder preisgeben, die damals in Deutschland noch nicht genannt werden mußten. Aus dieser US-Schutzschrift wird daher eindeutig nachweisbar, daß bei der Erfindung von 1906 noch von Paul Rudolph und Ernst Wandersleb gemeinsam erarbeitet wurde, während die dem Magnar tatsächlich zugrundegelegte Patentschrift dann aber nur noch von Wandersleb unterzeichnet wurde [US943.105 vom13. August 1909].

DE227112 Wandersleb Magnar

Im Deutschen Reich wurde dieses Patent mit der Nummer 227.112 bereits zum 1. September 1908 angemeldet. Aus dem Text geht hervor, daß mit der dreilinsigen Ausführung der zerstreuenden Komponente zum einen die chromatische Abweichung der schiefen Büschel verbessert werden konnte, was insbesondere der Bildschärfe in den Randzonen zugute kam. Auch das Ausbrechen des Astigmatismus und der Verzeichnung über das Spektrum hinweg konnte auf dieser Weise abgemildert werden. Damit darf nun eindeutig Ernst Wandersleb als Urheber dieses Magnars gewürdigt werden.

Magnar 1909

Der obige Ausschnitt aus dem Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik des Jahrgangs 1909 auf Seite 198 lässt uns gleich zwei interessante Details wissen: Erstens hieß das Magnar damals noch "Zeiss-Teleobjektiv". Der Markenname "Magnar" wurde also erst nachträglich eingeführt. Zweitens dürfen wir wohl davon ausgehen, daß auch der Vorgänger mit zweiteiliger Negativlinse als "Zeiss-Fernobjektiv 1:14/45 cm" etwa drei Jahre zuvor auf den Markt gebracht worden war und daß er nun durch die Weiterentwicklung Wanderslebs ersetzt wurde.

2. Das Tele-Tessar

2.1 Das Tele-Tessar von 1919

Diese "echten Teleobjektive" blieben eine große Herausforderung für den Objektivkonstrukteur, der eine möglichst kompakte Bauweise erzielen wollte, ohne daß sein Teleobjektiv gegenüber den "normal gebauten" Fernobjektiven stark qualitativ hinterherhinkte. Insbesondere litten diese frühen Teletypen an einer ziemlich ausgeprägten kissenförmigen Verzeichnung, die sich kaum auskorrigieren ließ [Vgl. Merté, Willy: Das photographische Objektiv seit dem Jahre 1929; in: Michel, Kurt (Hrsg.): Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie, Ergänzungswerk, Band I, Wien, 1943, S. 76.]. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg, im Jahre 1919, schlug der damals gerade erst 30-jährige Willy Merté daher einen anderen Weg ein. Benötigte das oben angegebene Magnar 10/45 cm nur 15 cm Balgenauszug (also 33% der Brennweite), so lag der erforderliche Auszug bei seinem Tele-Tessar bei beinah doppelt so hohen 60% der Brennweite [Vgl. Pritschow, photographische Kamera, 1931, S. 305]. Damit erlaubte dieses Tele-Tessar, eine Brennweite von 25 cm an einer 9x12-Kamera zu verwenden, ohne über den normalen Balgenauszug von 15 cm hinausgehen zu müssen. Diese Einschränkung bei der Schnittweitenverkürzung wurde durch einem deutlichen Zuwachs an Bildleistung aufgewogen. Das Tele-Tessar 1:6,3 wurde am 17. Juni 1919 unter der Nr. 347.838 im Deutschen Reiche zum Patent angemeldet. Daß Merté der Urheber gewesen ist, geht aus der Schutzschrift nicht hervor, sondern ist lediglich durch die Mitteilung Pritschows sowie durch Merté selbst [Vgl. Merté, Willy: Bauarten der photographischen Objektive, in: Hay, Alfred (Hrsg.): Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie, Band I, Das photographische Objektiv, Wien, 1932, S. 340.] überliefert. 

DE347838 Merté Tele-Tessar Patent

Das Tele-Tessar heißt nicht nur deshalb so, weil es vier Linsen besitzt. Vielmehr hatte Dr. Willy Merté dieses Teleobjektiv unter Verwendung der Korrektionsprinzipien des Rudolph'schen Tessars geschaffen, also auf Basis der Verknüpfung eines Neu- mit einem Altachromaten. Die Behebung der sphärischen, chromatischen und insbesondere der astigmatischen Fehler wurde wie beim Tessar dadurch erreicht, daß die Luftlinse im vorderen, sammelnd wirkenden Systemteil zerstreuend wirkt, während die Kittfläche im hinteren, hier beim Tele-Tessar zerstreuend wirkenden Glied, eine sammelnde Wirkung aufweist. Auf diese Weise hatte Merté ein Teleobjektiv geschaffen, das bei verhältnismäßig großer Lichtstärke und verhältnismäßig großem Bildfeld eine bisher nicht gekannte Bildleistung zu bieten hatte. Ein Zusatzpatent Nr. DE359.716 zu diesem Tele-Tessar vom 8. Mai 1921 schützte eine Erhöhung der Lichtstärke dieses Grundtyps auf 1:5,5, die durch eine Verkittung auch im vorderen Systemteil erreicht werden konnte. Nach dieser Konfiguration waren dann später Teleobjektive 1:5,5 von Mitbewerbern aufgebaut, wie die Tele-Xenare von Schneider oder die Tele-Megore von Meyer.

Tele-Tessar Reklame 1923
Tele-Tessar 1924

Diese Tele-Tessare 1:6,3 waren offenbar im Inflationsjahr 1923 das erste Mal in den Handel gebracht worden [Vgl. Deutscher Camera-Almanach 1924, S. 111f.]. Zunächst in den Brennweiten 18; 25; 32; und 40 cm für die Formate 6x9; 9x12; 10x15 und 13x18 cm. Später folgte noch eine Brennweite von 12 cm für das Format 4,5x6 cm. Diese Tele-Tessare 1:6,3 hatten mit über 30 Grad also einen ziemlich großen Bildwinkel.

Tele-Tessar 1919

Die Bildfehlerkurven des Tele-Tessars in der ursprünglichen Form von 1919. Aus den a-Kurven wird ersichtlich, daß der Restbetrag an sphärischen Zonen für die Großformate unerheblich war, am Kleinbild bei längeren Brennweiten aber zu sehr weichen Abbildungen geführt hätte. Gut zu sehen in den b-Kurven der ungewöhnlich große Bildwinkel, der im Extremfall bis über 40 Grad diagonal ausgenutzt werden konnte. Die c-Kurve läßt aber erkennen, daß die Werte für die Verzeichnung den Bildwinkel praktisch auf etwa 30 Grad begrenzten. Die etwa 4% Verzeichnung waren zwar nicht unerheblich, aber bereits ein großer Fortschritt im Vergleich zu älteren Konstruktionen [nach: Merté, Willy: Bauarten der photographischen Objektive, in: Hay, Alfred (Hrsg.): Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie, Band I, Das photographische Objektiv, Wien, 1932, S. 344.].

2.1 Das Tele-Tessar-K

Tele-Tessar K 6,3/18 cm

Während das ursprüngliche Tele-Tessar 6,3/18 cm (mit der Rechnung vom 22. Dezember 1919) also immerhin das Plattenformat 6,5x9 cm vollständig auszeichnete, wurde mit dem Abschlußdatum 8. Februar 1932 ein weiteres Tele-Tessar 6,3/18 cm geschaffen, das nun aber speziell für das Kleinbild 24x36 mm ausgelegt war. Mit Aufkommen der Kleinbildphotographie waren nämlich noch einmal deutlich höhere Anforderungen zu bewältigen, weil die Negative nun stets stark nachvergrößert werden mußten. Dieses Kleinbild-Tele-Tessar 18 cm hatte nur noch einen Bildwinkel auszuleuchten, der mit 14 Grad weniger als halb so groß zu sein brauchte. Die Bildwinkelreserve war freilich groß genug, daß dieser Typus später doch noch sporadisch für die Standard-Exakta und in geringen Stückzahlen sogar für die Exakta 6x6 geliefert wurde. In erster Linie war dieses neue Tele-Tessar 18 cm von 1932 natürlich für die Contax der Zeiss Ikon AG gedacht, wo es als Tele-Tessar K (K für Kleinbild) bezeichnet wurde und mit dem Entfernungsmesser gekuppelt war.

Beginnend im Januar 1938 wurde es aber zusätzlich auch in einer Fassung für die Kleinbild-Spiegelreflexkamera Kiné-Exakta hergestellt. Hier fiel es bestechend kurz und wegen der Aluminium-Fassung auch außerordentlich leichtgewichtig aus. Etliche hundert Stück wurden bis 1942 in dieser Ausführung immerhin noch fabriziert. Von Robert Richter liegt aus dem Frühjahr 1939 sogar noch ein Patent zur Verbesserung des Tele-Tessars vor [Nr. DD5860]. Die Fertigung wurde nach dem Kriege aber trotzdem nicht wieder aufgenommen.

Tele-Tessar 6,3/12 cm

Oben:  Das etwas kürzere Tele-Tessar 6,3/12 cm ebenfalls in einer Fassung für die Kleinbildkamera. Dieses Tele-Tessar war im September 1925 gerechnet und gehört daher nicht zu dem speziell für das Kleinbild optimierten Typ. Nach einer längeren Pause, in der die Produktion ausgesetzt war, wurden zwischen 1938 und 1941 etwa 300 Stück in einer Aluminiumfassung für die für die Kiné-Exakta gefertigt. Bild: Michael Sacher

Tele-Tessare 1938

Rechnungsabschlüsse für Tele-Tessare

Tele-Tessar 6,3/12 cm

21. 09. 1925

Tele-Tessar 6,3/18 cm

22. 12. 1919; 08. 02. 1932

Tele-Tessar 6,3/25 cm

16. 12. 1919

Tele-Tessar 6,3/32 cm

29. 12. 1919

Tele-Tessar 6,3/40 cm

02. 06. 1920

Tele-Tessar 6,3/50 cm

09. 07. 1928

Tele-Tessar 8/30 cm

30. 05. 1933

Tele-Tessar 8/60 cm

10. 08. 1933

Tele-Tessar 10/25 cm

09. 09. 1932

3. Zeiss Jena als Pionier der asphärischen Objektive

Und weil hier vom Magnar die Rede war, möchte ich noch eine Tatsache ergänzen, die trotz ihrer Bedeutung für die Geschichte der rechnenden Optik heute völlig unbekannt ist. Je nachdem in welcher Werbebroschüre man blättert, sind es mal die Firmen Leitz, Canon, Nikon usw. die sich  mit der Pioniertat brüsten, als Erste Linsen in ihren Objektiven verbaut zu haben, deren Oberfläche von der Kugelform abweicht: Sogenannte Asphären. Das entspricht alles nicht den Tatsachen. Die Verwendung von asphärischen Linsen im Objektivbau ist wesentlich älter als gemeinhin gedacht.


Ich habe oben einen Aufsatz zitiert, den Willy Merté für einen Ergänzungsband verfaßt hat, um das "Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie" in Folge der stürmischen Entwicklung der 30er Jahre auf den neusten Stand zu bringen. Dieser Ergänzungsband, herausgegeben von Kurt Michel, wurde fertig, als ein gewisser Joseph Goebbels gerade den Totalen Krieg ausgerufen hatte. Man wird unschwer einsehen, daß dieser Ergänzungsband damals kaum größere Verbreitung und Beachtung gefunden haben mag; er wird auch nicht in nennenswerter Auflage gedruckt worden sein. Und als der Krieg vorbei war, war sein Inhalt schon wieder überholt. Damit ist aber auch der hierin enthaltene Aufsatz Willy Mertés in Vergessenheit geraten; zumal  dieser Mann bereits im Frühjahr 1948 in den USA verstorben ist.

Zeiss Magnar 4x

Rolleifreunden sagt der Begriff "Magnar" etwas. Jeder Rollei-Sammler hätte gerne eins. Dieser Produktname wurde nämlich ein zweites Mal belegt. Es handelt sich um ein brennweitenloses "Vorsatzfernrohr" für die Rolleiflex mit vierfach vergrößernder Wirkung. Es wurde 1939 kurz vor Kriegsausbruch herausgebracht und anschließend in kleinen Stückzahlen (genau weiß man es nicht mehr) hergestellt. Es ist also selten. Mit knapp 200,- Reichsmark war es auch fast so teuer, wie die Kameras, für die es gedacht war [Bild: Stefanie Feldhaus].

Zeiss Magnar 4x Rolleiflex

Was nun selbst eingefleischten Rollei-Experten kaum bekannt sein dürfte: In diesem Magnar steckt eine Linse mit asphärischer Fläche. Willy Merté persönlich gibt dies in seinem Aufsatz "Das photographische Objektiv seit dem Jahre 1929" auf Seite 12 des Ergänzungsbandes an. Und wer sollte es wissen, wenn nicht der Konstrukteur selbst.


In einem kleinen, aber nicht unbedeutenden Teil, muß die Geschichte des photographischen Objektives also in einem neuen Licht gesehen werden. Daß das Magnar dabei "nur" ein Vorsatz zur Verlängerung der Äquivalentbrennweite gewesen ist und offenbar nur in geringen Stückzahlen produziert wurde, tut der Tatsache keinerlei Abbruch, daß das Magnar 4x das erste serienmäßig hergestellte Objektiv der Welt gewesen ist, bei dem eine asphärische Linse eingesetzt wurde.

Zeiss Magnar 4x

Zu diesem Thema ist noch anzumerken, daß man bei Carl Zeiss Jena bereits seit Mitte der 30er Jahre damit experimentierte, Asphären im Photoobjektivbau einzusetzen. Bei Thiele sind mehrere Versuchsfertigungen für Tessare 2/5 cm und sogar 1,5/5 cm überliefert. Aufgrund eines am 6. Dezember 1940 angemeldeten Patentes wissen wir, daß es Dr. Willy Merté gewesen ist, der  solche deformierte Fläche in den Tessar-Typus einführte. Dieses Patent ist erst 1954 in der DDR unter der Nr. DD2675 veröffentlicht worden; sechs Jahre nach dem Tode des Urhebers. Bemerkenswert ist, daß Merté in zwei der vier Patentbeispiele die asphärische(n) Flächen(n) dort hin verlegt, wo sich normalerweise beim Tessar die Verkittung befindet. Das ist vor allem in der Hinsicht interessant, daß  Ernst Wandersleb bereits am 25. Juli 1939  ein diesbezügliches  Patent angemeldet hatte,  das erst 1953 in der DDR [Nr. DD2905] und gar erst 1958 in der Bundesrepublik [Nr. DE969.283] erteilt wurde. Wanderslebs Ansatz lag nämlich darin, die deformierte Fläche ganz bewußt innerhalb einer Kittgruppe anzuordnen. Der Hintergrund war der, daß sich asphärische Flächen nur schwer mit höchster Präzision herstellen ließen, diese Präzisionsanforderungen aber sogleich abgemildert würden, wenn die Brechkraftunterschiede zwischen den zwei Linsen durch Verkittung herabgesetzt wären. 

Über das Verhältnis zwischen Merté und Wandersleb herrscht meiner Ansicht nach große Unklarheit, nicht zuletzt weil Wandersleb von seinem Kollegen aus der Position des Leiters der Abteilung Photo sukzessive verdrängt worden ist und dabei politische und rassische Diffamierung innerhalb des Unternehmens offenbar eine nicht zu vernachlässigende Rolle gespielt haben. Diese beiden Patente hinterlassen aber den Eindruck, daß die beiden Herren vor Ausbruch des Krieges noch in kongenialer Manier zusammengearbeitet haben.

Leitz Noctilux aspährisch

Bei allem Respekt für die unbestrittenen Leistungen der Firma Leitz Wetzlar in bezug auf den Kamera- und Objektivbau; aber dieser Werbeaussage muß eindeutig widersprochen werden.

Marco Kröger M.A.


letzte Änderung: 19. September 2024